Eine tägliche unsägliche Tortur
ist euer Kampf mit der Figur.
Wenn eure Nacktheit das Auge kränkt,
weil alles so schlaff herunterhängt,
wenn ihr die Schuhe kaum mehr binden könnt
und schon beim Schneuzen ins Schwitzen kömmt,
dann müsst ihr schon mal überlegen,
wollt ihr so noch weiterleben.
Wäre es vielleicht nicht besser,
ihr würdet etwas weniger essen.
Aber Verzichten bringt Verdruss
und Essen ist nun mal Genuss,
und Sport betreiben ist nichts als Leiden
und Leiden muss man kompensieren
mit üppigem Dinieren.
Sport schafft ein psychisches Vakuum,
es höhlt euch aus und bringt euch um.
Ihr seid ja nicht auf dieser Erde
um jeden Tag ein bisschen zu sterben.
Der Mensch lebt nicht vom Sport allein,
es muss auch was im Magen sein.

Aber gibt es was Schöneres, als einfach so schlank rumzuhängen
und zu sehn, wie andere ihr Fett durch die Strassen zwängen
und wie sie nach Diäten suchen
und Ferien in der Wüste buchen
und verzweifelt durch die Wälder rennen
und Gewichte an die Fesseln klemmen
und trotzdem immer dickerere Bäuche kriegen
und dann mit Herzinfarkt auf der Intensivstation liegen.

Damit ihr dieses Gefühl auch mal erleben könnt, verrate ich euch jetzt das Geheimnis meiner Figur. Und dieses Geheimnis lautet: Kalorienbuchhaltung.

Wenn ich um zwölf ins Bett gehe ist bei mir Energieaufnahme weniger Energieverbrauch gleich null. Das ist die sogenannte Konservierungsregel.

Praktisch geht das so vor sich:

Von morgens sechs bis abends sechs nehme ich mal Kalorien auf, mit Genuss, aber einigermassen vernüftig, ich fresse nicht wie die Sau.

Um sechs Uhr abends zähle ich zusammen: Im Durchschnitt komme ich da auf 3126 Kalorien.

Also um sechs Uhr abends habe ich 3126 Kalorien in mir, die ich bis 24 Uhr noch abbauen muss.

Theoretisch: Praktisch stimmt das natürlich nicht ganz.

In den zwölf Stunden, die ich ja schon im Wachzustand gelebt habe, habe ich natürlich schon Energie verbraucht, und zwar bin ich

drei Stunden herumgestanden = 390 Kalorien

fünf Stunden gesessen       = 540 Kalorien

1/2 Stunde Siesta           = 30 Kalorien

1 Std. Auto fahren (normal) = 128 Kalorien

2 Std. Fernsehen = 208 Kalorien

Total Energieverbrauch

bis sechs Uhr = 1296 Kalorien

Ich vernachlässige jetzt mal das Winken und Blinzeln und Nicken und Schlucken und Nasengrübeln, die ja auch Energie verbrauchen.

Ich substrahiere jetzt diese 1296 verbrauchten Kalorien von den 3126 aufgenommenen: da bleiben noch 1830 Kalorien.

Ich habe also noch sechs Stunden Zeit, um 1830 Kalorien abzubauen.

Jetzt kann ich mir einen schönen Plan machen.

Ich habe ich da eine Liste, und da steht ganz genau, was wie viele Kalorien pro Stunde braucht.

Ich muss also noch 1830 Kalorien abbauen: Effizient ist leider nur der Sport, also um ein bisschen Sport kommen wir nicht herum.

Sagen wir mal 1 Stunde Velo fahren und

1/2 Stunde Joggen

und schon sind 1000 Kalorien weg.

Es bleiben 4 1/2 Stunden und 830 Kalorien

Dann 1 Std. Autofahren intensiv

(30x kuppeln, 30x schalten, 20x bremsen, 38x Steuer herumreissen, 2x Handbremse anziehen, 2x Handbremse lösen, 4x einsteigen und 5x aussteigen

macht = 236 Kalorien

es bleiben 3 1/2 stunden und 604 Kalorien

1/2 Stunden Staubsaugen = 125 Kalorien

es bleiben 3 Stunden und 479 Kalorien

2 Stunden Fernsehen = 208 kalorien

es bleiben 1 Stunde und 271 Kalorien

1/2 Stund Sex passiv und eine Viertelstunde Sex aktiv = 238 Kalorien

es bleibt 1/4 Stunde und 33 Kalorien

Jetzt nehme ich die Detailliste.

Da gibt’s zum Beispiel

20 Kniebeugen zu 0,5 Kalorien  = 10 Kalorien, es bleiben 23 Kalorien,

dann 23 Mal Beinheben zu 0,3 Kalorien = 7 Kalorien (interpoliert), es bleiben

16 Kalorien, dann 40 Mal Armheben zu 0,15 Kalorien = 6 Kalorien, es bleiben 11 Kalorien, jetzt kann ich noch 112 Mal den Kopf schütteln und 516 Mal blinzeln, dann bin ich auf dem Kaloriennullpunkt.

 

Das ist eine relativ plumpe Rechnung. Aber sie geht auf.

Ich kann das Ganze natürlich noch viel raffinierter handhaben. Ich kann ja auch Energieaufnahme und Energieverbrauch miteinander kombinieren. Wenn ich zum Beispiel ein Süppchen esse, kann ich gleichzeitig Kniebeugen machen, wenn ich also ein Süppchen mit 130 Kalorien esse, dann reichen dazu 260 Kniebeugen und das Süppchen ist schon kalorienmässig verdaut, oder ich kann, während ich die Suppe schlürfe, 395 Mal das Bein schlenkern, den Arm heben, Schultern heben, den Kopf schütteln, blinzeln und mit den Ohren wackeln.

Und dann haben Sie unter Umständen Ihre Kalorien schon abgebaut, bevor Sie sie aufgenommen haben und Sie können den Rest des Süppchens sozusagen bewegungslos und genüsslich schlürfen.

Übrigens: Die Entleerungen habe ich in meiner Kalkulation vernachlässigt. Es soll ja Leute geben, die alles verdauen und nur noch hie und da ein wenig Brunz von sich geben.

 

Januar 6th, 2014

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